Der zweite Stock ist indes eine Schatztruhe von Stoff und Materie. Muster und Kataloge sind eine konstante Inspirationsquelle und können in diesem Raum bestens studiert und untersucht werden. Denn oft bestimmt das Material selbst Formen und anschließende Entwicklungen eines Konzeptes. Genau wie es beim Holz der Fall ist, einer Hauptmaterie für Südtiroler Schaffenskraft und wichtige Ingredienz für viele von Thalers Innenarchitekturprojekten. Beispiele sind Privathäuser, das Museion Atelierhaus in Bozen, eine renovierte Apotheke in Klausen (wo ein weiteres heimisches Material zum Einsatz kommt, nämlich der weiße Laaser Marmor) oder die Geschäftsräume von Pur Südtirol, dem Genussmarkt für Südtiroler Qualitätsprodukte, der nach Lana (nur wenige Meter von Thalers Silo entfernt), Bozen, Bruneck und Meran kürzlich auch in Brixen eröffnet wurde. Wir steigen höher in die zwei Etagen mit Büros für die Mitarbeiter und den Designer selbst – in letzterem dominiert ein großer Tisch den Raum und verdeutlicht in seiner Schlichtheit eine weitere entscheidende Dimension von Thalers Kreativität: die Natürlichkeit. Harry Thaler hat sowohl beruflich wie privat immer ein Lächeln auf den Lippen, seine Gesten sind höflich, sein Händedruck herzlich. Sich mit seinen Mitarbeitern an einen Tisch zu setzen, sich auszutauschen, zu diskutieren oder gemeinsam über neue Ideen nachzudenken, ist also das Natürlichste und kann für einen Designer, der mehr Wert auf Beziehungen als auf Ichbezogenheit legt, nur als Stärke gerechnet werden. Dies bezeugt auch die gemütliche Küche im fünften Stock dieses Südtiroler Schöpfertums. Auch dieser Raum ist offen, schlicht und ungezwungen, hier werden in geselliger Runde Gedanken und Mahlzeiten vorbereitet, geteilt und genossen. Nun, ganz oben in diesem Turm angekommen, der sich und sein Inneres, die Welt rundherum und darüber hinaus reflektiert, steigen wir über die steile Wendeltreppe wieder abwärts und lassen auf dem Weg nach unten noch einmal – mit anderem Blick vielleicht – die Skizzen und Zeichnungen, Prototypen, Lampen, Stühle und Fahrräder auf uns wirken und nehmen von dieser Reise ins Zentrum der „Zone“ von Lana und ins Herz des Designs einen Koffer voller Eindrücke mit.
Fotos: Franziska Unterholzer, Davide Perbellini, Jäger & Jäger