Bäuerliche Architektur
Strohdächer zählen zweifellos zu den schönsten Ausprägungen bäuerlicher Architektur. Bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts war es üblich, Wirtschaftsgebäude wie Stadel, Ställe und Tennen mit Stroh einzudecken. Im Grunde eine aus der Not geborene Lösung: Da für teure Bedachungen das Geld fehlte, nahmen die Bauern zum Decken schlichtweg das her, was durch den Getreideanbau in Hülle und Fülle vorhanden war: Stroh. In aufwändiger Handarbeit schufen sie damit ein luftdurchlässiges und gleichzeitig wasserdichtes Dach, das für die Unterbringung der Ernte und der Tiere ideale Bedingungen bot.
Verwertung vorhandener Rohstoffe
Meist verwendeten sie hierfür heimischen Herbstroggen. Gut gereift und getrocknet, wurden die langstieligen Halme zu „Schab“ (armdicke Strohbündel) gebunden und in Streifen aufs steile Dach gelegt. Eine Fertigkeit, die große Geschicklichkeit erforderte und die der jungen Generation durch reines Zuschauen und Mithelfen weitervermittelt wurde.
Der Anfang vom Ende
Mit dem Schwinden des Getreideanbaus verringerte sich in den letzten Jahrzehnten auch die Anzahl der strohbedachten Gebäude. Und zwar so drastisch, dass in ganz Vöran heute nur mehr vier davon übriggeblieben sind: beim Spitzegger, beim Sunnegger, beim Tötnmoar und beim Gfrar in Aschl. Neben dem Mangel an Rohmaterial, sind aber noch weitere Gründe am Aussterben der geschichtsträchtigen Strohdächer beteiligt.
Großer Aufwand für die Instandhaltung
Zur aufwändigen Instandhaltung, die eine jährliche, kostenintensive Teilerneuerung der Strohdecke erforderlich macht, kommt hinzu, dass heute fast niemand mehr das Handwerk des Strohdachdeckens beherrscht. Durch die erhebliche Brandgefahr des Materials, ergeben sich außerdem hohe Versicherungskosten. Und selbst diverse Förderbeiträge, die in Vergangenheit geflossen sind, und die Bemühungen engagierter Eigentümer und des Heimatpflegeverbands, der sich seit den 1960er Jahren für den Erhalt dieses wertvollen Kulturguts einsetzt, konnten das zunehmende Schwinden der Strohdächer nicht aufhalten.
Zwischen Tradition und Moderne
Neben dem heimatpflegerischen Aspekt gilt es, die Lage der Bauern bzw. Eigentümer der Strohdächer zu beachten. Der Arbeitsalltag der heimischen Bauern ist kräftezehrend und lang. Mit ihrer täglichen Arbeit leisten sie bereits einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft. Da ist es nur verständlich, dass ein marodes, nicht mehr zweckmäßiges Strohdach gegen eine moderne, „pflegeleichtere“ Bedachung eingetauscht wird. Hinzu kommt, dass der Erhalt eines Strohdaches für viele finanziell schlichtweg oft nicht tragbar ist oder anderen Investitionen am Hof weichen muss.
Zukunftsweisender Weg muss noch gefunden werden
Dem gegenüber stehen der Wille und das nachvollziehbare Anliegen, ein so schönes Kulturgut wie die Strohdächer von
Vöran für die Nachwelt zu erhalten. Eine Herausforderung mit vielen Facetten, die sich wohl nur unter Einbindung aller – der Bauern, der Bürger, der Politik und des Tourismus – gemeinsam meistern lässt.