65 Jahre Vöraner Bahnl 65 Jahre Vöraner Bahnl

65 Jahre Vöraner Bahnl

Was heute nicht mehr wegzudenken ist, war vor ca. 150 Jahren noch reinste Utopie. Die Panoramaseilbahn, die das Mittelgebirgsdorf Vöran mit Burgstall im Etschtal im 20-Minuten-Takt verbindet, ist heute Lebensader und nachhaltiges Verkehrsmittel für Pendler:innen, Schüler:innen, Sportler:innen und Wanderer:innen.

Beschwerliche Wege
Das Dorf Vöran teilte wie auch die anderen Gemeinden am Tschögglberg bis weit in das 20. Jahrhundert hinein das Schicksal vieler Bergdörfer: Der Personen- und Materialverkehr in die nahe gelegenen Mittelzentren war durch fehlende Verkehrsverbindungen beschwerlich und mit großem Aufwand verbunden. Die Entfernung zwischen Vöran und Burgstall beträgt weniger als 4 km Luftlinie, der Haken waren jedoch die 900 Meter Höhenunterschied. Jahrhundertelang wurden die bäuerlichen Erzeugnisse mit Saumtieren zu den Märkten nach Lana und Meran gebracht und Dinge für den alltäglichen Gebrauch, die nicht auf den Höfen hergestellt werden konnten, die rund 900 Höhenmeter auf schmalen und steilen Bergwegen nach oben getragen.

Die erste Materialseilbahn
Der Eigeninitiative des Vöraner Steger-Bauern ist es zu verdanken, dass 1890 die erste Materialseilbahn nach dem Vorbild Mölten-Vilpian errichtet wurde. Diese private Seilbahn reichte nicht bis ins Dorf, sondern bis auf die Höhe der heutigen Kläranlage, es profitierte dennoch die gesamte Dorfbevölkerung von dieser enormen Erleichterung. Bald schon wurde der Ruf nach einer Bergstation im Dorf laut, denn der Transport vom Stegerhof bis ins Dorf war vielen zu umständlich.

Ein elektrischer Lastenaufzug
So wurde 1908 ein neues Seilbahnprojekt bei der k.u.k. Bezirkshauptmannschaft Meran eingereicht. Die neue Trasse sah eine Mittelstation beim Stegerhof, insgesamt vier Stützen und eine Bergstation in unmittelbarer Dorfnähe (beim heutigen Wohnhaus “Schmied”) vor. Mit einem elektrischen Antrieb von 15 PS und einer Förderlast von 700 bis 800 kg mithilfe eines Gegengewichts konnte man das Projekt durchaus als modern bezeichnen. Trotz mehrerer Rückschläge wie das Verfehlen der Trasse um einige Meter beim Bau der Tragböcke und ein Tragseilriss konnte die Seilbahn 1910 in Betrieb genommen werden.
 


Wer beißt in den sauren Apfel?
Obwohl der Personentransportes strikt verboten war, stand dieser an der Tagesordnung. “Wenn der Erbauer Thomas Alber herauffahren wollte, musste mit Wasser oder Holz dafür gesorgt werden, dass die Bahn, welche damals nur aus einer niedrigen Holzkiste bestand, fuhr. Fand man kein entsprechendes Gegengewicht, mussten die Kinder in die Holzkiste steigen und ist Tal abfahren, damit der Vater nach Hause kam. Die Kinder mussten den beschwerlichen Weg den Berg herauf dann aber zu Fuß zurücklegen”, wusste Alois Alber, Altbauer des Stegerhofes, zu berichten.

Tragische Unfälle
Nicht zuletzt sorgten schwere Unfälle mit Todesfolge dafür, dass eine Alternative gefunden werden musste. Neben der Forderung einer Straßenverbindung über Hafling nach Meran oder über Mölten nach Terlan war eine Schwebebahn nach wie vor die bevorzugte Lösung. Sogar eine Verbindung mittels Schmalspurbahn wurde vom k.u.k. Eisenbahnministerium kurzzeitig ins Auge gefasst. Während der Ingenieur Luis Zuegg in Hafling bereits 1923 die Seilbahn für Personentransport erbaute, kam man in Vöran aber weiterhin nicht über die Planungsphase hinaus.

Eine eingebremste Seilbahngesellschaft
Ideen und Idealisten gab es zur Genüge: in den Zwanzigerjahren wurde eine Seilbahngesellschaft gegründet, die das Projekt vorantrieb. Zu Beginn der Dreißigerjahre wurden erste Stützen gebaut, doch dabei blieb es: einerseits ging der Gesellschaft das Geld aus, andererseits war durch den Faschismus das gesamte Gefüge auseinandergebrochen.

Das „Berggesetz“ bringt die finanzielle Lösung
Erst in den 50er Jahren wurde die Idee wieder konkret aufgenommen. Die damalige Gemeindeverwaltung konnte sich ein Gesetz zunutze machen, das eine großzügige finanzielle Unterstützung aus öffentlicher Hand vorsah, wenn 80% des Gemeindegebiets oberhalb einer Meereshöhe von 600m liegt, kleinstrukturiert landwirtschaftlich genutzt wird und einen bestimmten Durchschnittsertrag nicht übersteigt.
 
Baubeginn 1956
Ing. Hölzl, der bereits die Seilbahn Mölten-Vilpian geplant hatte, wurde mit der Planung des Projekts betraut, das schließlich 1955 von der Landesregierung genehmigt wurde. Dank des unermüdlichen Einsatzes des damaligen Bürgermeisters Ignaz Kröss stand nun endlich dem Bau der Seilbahn nichts mehr im Wege. Bis zur Eröffnung im Juli 1958 mussten allerdings noch gar einige Schwierigkeiten – nicht zuletzt finanzielle – bewältigt werden.

Eröffnung nach zwei Jahren Bauzeit
Die Eröffnung und Inbetriebnahme der Seilbahn am 6. Juli 1958 war ein von der Presse vielbeachtetes und von der Vöraner Bevölkerung gefeiertes Ereignis mit weitreichenden Folgen für das Dorf: Auswärts arbeitende Bürger:innen konnten nun täglich zum Arbeitsplatz pendeln. Jugendliche konnten weiterführende Schulen besuchen. Vieh- und Materialtransporte waren ebenso an der Tagesordnung. Zeitzeugen erinnern sich an den Neubau der Schule im Jahr 1962, als ununterbrochen Ziegel, Zement und andere Baumaterialien nach oben befördert wurden.
 
Tägliche Nutzung von Pendler:innen und Wanderer:innen
So dramatisch es klingt: die Seilbahn hat das Dorf vor dem Bergtod gerettet. Wenn am Wochenende der Pendlerverkehr ruhte, suchten Gäste und Einheimische aus dem Tal frische Luft und Erholung auf dem Tschögglberg. Bereits bei der ersten Fahrt um 5:30 Uhr (!) herrschte Gedränge, alle wollten nach Vöran und weiter zu den bewirtschafteten Almen des Hochplateaus.

Ausbau der Straße: das Aus für Seilbahn?
Mit dem Bau der Straße verlor die Seilbahn nach und nach an Bedeutung. Als in den 80er Jahren eine große und kostenintensive Revision anstand, erwog die Gemeindeverwaltung die Stilllegung der Seilbahn. Vor allem Pendler:innen und Schüler:innen wären auf umständliche Busverbindungen angewiesen gewesen und so regte sich starker Widerstand in der Bevölkerung. Mit der Gründung eines Komitees, das u.a. eine groß angelegte Unterschriftenaktion initiierte, konnte die Finanzierung der Revision erreicht und somit die Seilbahn gerettet werden.
 
Generalsanierung und Automatisierung zur Jahrtausendwende
Im Jahr 2000 wurde die Seilbahn generalsaniert und automatisiert. Neue Kabinen kamen zum Einsatz und die Talstation musste durch die Automatisierung personell nicht mehr besetzt werden. Zu den Tagespendlern kamen vermehrt Sportler, die die alten Fußwege wie z.B. den Sunnseitn-Steig von Burgstall nach Vöran als Trainingsstrecke für Berglauf oder Nordic Uphill nutzten und mit der Seilbahn schnell wieder ihren Ausgangspunkt erreichten. Auch das Knottnkino, das seit 2001 auf dem Rotsteinknott in der Nähe von Vöran ein beliebtes Wanderziel geworden ist, haben zur guten Auslastung der Seilbahn beigetragen.

Von der Aus- bis zur Überlastung
Von der guten Auslastung war es dann nicht mehr weit bis zum Erreichen der Kapazitätsgrenzen. So wurde ein Neubau angedacht, der tatsächlich 2016 begonnen werden konnte und zu 90% vom Land Südtirol finanziert wurde. Am 7. Oktober 2017 wurde die neue Seilbahn in Betrieb genommen. Während der gesamten Bauzeit der neuen Seilbahn blieb die alte in Funktion, um die Fahrgäste weiterhin zum Arbeitsplatz, zur Schule oder ins Wandergebiet bringen zu können.

Seit 2017 eine neue Seilbahn
Die neue Seilbahn wurde von der Firma Doppelmayr errichtet und hat eine Transportkapazität von 360 Personen pro Stunde, das ist eine Steigerung von 62% gegenüber der alten Seilbahn. Das neue Doppeltragseilsystem verleiht der Seilbahn besondere Stabilität und garantiert den Betrieb auch bei hoher Windgeschwindigkeit. Die einzige, weithin sichtbare Stütze ist 44 Meter hoch.
 
Nachhaltig und zukunftsweisend
Somit hat Vöran auch 65 Jahre nach der ersten Personenseilbahnfahrt weiterhin ein nachhaltiges und modernes öffentliches Verkehrsmittel, das von Einheimischen wie Gästen gleichermaßen genutzt wird. Mit dem Neubau hat die Gemeinde Vöran einen richtigen und wichtigen Schritt in Richtung Zukunft gemacht.
 
Fun fact:
Die Seilbahn Vöran-Burgstall ist eine der wenigen – wenn nicht die einzige – Seilbahn im gesamten Alpenraum, die mehr Tal- als Bergfahrten verzeichnet. Grund dafür ist die beliebte Uphill-Trainingsstrecke auf dem Sunnseitn-Steig von Burgstall nach Vöran, die Sportler:innen für ihr Training nutzen und mit der Seilbahn in wenigen Minuten wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückkommen.

Texte und Bilder: © Bildungsausschuss Vöran 2019 Buch: Vom elektrischen Lastenaufzug zur Panoramaseilbann; Geschichte und Geschichten des "Vöraner Bahndls"
Tourismusverein Hafling-Vöran-Meran 2000 | 27.07.2023
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