Ursprünglich ein Privileg des Adels, übernahm im 19. Jahrhundert auch das vermögende Bürgertum das Ritual, die heißen Sommermonate auf dem kühleren Landsitz zu verbringen – in Europa und auch bei uns in Südtirol.
Pünktlich zu Sommerbeginn am 29. Juni packten wohlhabende Städter Kind, Kegel und Hausrat zusammen und zogen aufs Land oder auf den Berg, um der drückenden Hitze der Stadt zu entfliehen. Ganze 72 Tage lang quartierten sie sich in Gasthäusern und Bauernhöfen ein oder logierten in privaten Sommervillen. Eine beträchtliche Zeit, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer unseres heutigen Gastes 4,8 Tage beträgt.
Ging es in den Anfängen noch primär um den Temperaturwechsel, wandelte sich die Bedeutung der Sommerfrische im Laufe der Jahrzehnte zunehmend zum Urlaub mit Mehrwert. Mit Unterhaltungsangeboten wie Wandern und Bergsteigen wurde den Sommerfrischlern ein kurzweiliger Aufenthalt geboten. Schon 1853 beschreibt E. von Hartwig in seinem Reiseführer „Eine Woche in Meran“ ausführlich eine Tagestour, die von Meran nach Vöran und Hafling bis hinauf auf die Spitze des Ifingers führt. Dieses Werk gilt heute übrigens als einer der ersten schriftlichen Wanderführer, die über unsere Gegend verfasst wurden.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts verbrachten reiche Bozner und Meraner Familien ihre sommerliche Auszeit regelmäßig auf den Höfen am Tschögglberg. Ende der 30er Jahre begannen erste wohlhabende Meraner, in Hafling Grundstücke zu erwerben und darauf stattliche Villen zu errichten. Die rege Bautätigkeit beschränkte sich dabei auf die orografisch rechte Seite des Sinichbaches, dort, wo es eine Fahrstraße zwischen St. Kathrein und Falzeben gab. Noch heute stehen hier die größten Hotels der Gegend sowie zahlreiche Zweitwohnungen. Aus jüngsten Erhebungen geht hervor, dass etwa 65 der Haflinger Zweitdomizile in Meraner Privatbesitz sind.
Entscheidend für die touristische Entwicklung des Tschögglbergs erwies sich aus heutiger Sicht der Bau der Straße von Meran nach Hafling (1978) und Vöran (1982). Die Gäste, die bis dato mit der Seilbahn von Obermais nach St. Kathrein anreisen mussten, konnten ihr Feriendomizil nun bequem mit dem Auto oder Linienbus erreichen. Damit etablierte sich der bei Sommerfrischlern seit langem beliebte Rückzugsort unterm Ifinger als moderne Tourismusdestination.
Sommerfrische 2.0
Und heute? Was hat die einstige Sommerfrische, die vor allem Ruhe und Zurückgezogenheit war, mit dem modernen, meist überaus aktiven und erlebnisreichen Sommerurlaub gemeinsam? Vermutlich immer mehr. Denn in einer Zeit zunehmender Hektik und Schnelllebigkeit wird das Entschleunigen und Zur-Ruhe-kommen immer wichtiger. Dass der Reiz der Sommerfrische nie ganz verschwunden war, haben uns auch die letzten Jahre gezeigt. Jahre voller Unsicherheit und Stillstand, in denen wir uns wieder auf die Schönheit des Nahen, Greifbaren und Lokalen besonnen haben. Ein Spaziergang im Wald, ein Sprung in den See oder eine sanfte Wanderung durch die Natur: Wenn wir mal überlegen, was wir wirklich brauchen, um uns zu erholen, merken wir schnell: Das gute alte Prinzip der Sommerfrische liegt nach wie vor im Trend.