Helmuth Köcher


☛ CEO des Gourmet’s International | Ifingerstraße 19, Tscherms 🖈 gourmets.international
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Helmuth Köcher. Sein Name steht für Wein und Meran. Für Qualität und Leidenschaft. Der CEO des Gourmet’s International probiert 8000 Weine jährlich. Im August 2024 erhielt er für seine Leistungen das Verdienstkreuz des Landes Tirol. Doch er setzte für die Stadt Meran nicht nur in der Welt des Weines Meilensteine. Antworten von einem, der keinesfalls vorhat, dass diese seine letzten sein.
Herr Köcher, direkt nach der Matura wurden Sie Amtsleiter des Sozialwesens in Meran – und damit Chef von 40 Mitarbeitern. Wie konnten Sie diese Aufgabe mit so wenig Berufserfahrung bewältigen?

Gute Frage. Nach dem Abschluss der Oberschule im September 1978 wurde ich in der Stadtgemeinde Meran als provisorischer Bediensteter verpflichtet. Sechs Monate danach hatte ich den Wettbewerb als Amtsleiter des Amtes für Sozialwesen, Altenfürsorge, Schulmedizin und Kinderkrippe der Gemeinde Meran gewonnen. Nach Abschluss des Militärdienstes 1980 musste ich als 20-Jähriger einerseits eine Kinderkrippe koordinieren und andererseits die Altenfürsorge begleiten. Hinzu kamen Aufgaben im Sozialbereich von der Drogenberatungsstelle zur Familienberatungsstelle, vom Obdachlosenasyl zum Behindertenbereich, vom Wohnungsamt zur Schulmedizin. Außerdem hatte ich einen parauniversitären Abschluss als Sozialsprengelkoordinator und einige Kurse an der Bocconi Universität in Mailand absolviert. Selbst in der Freizeit hatte ich mich für sozial Minderbemittelte eingesetzt und diese auf verschiedenen Ebenen unterstützt. Die Herausforderung war enorm, aber ich war hoch motiviert. Ich scheute keine Verantwortung, war unermüdlich im Ausüben aller Aufgaben und auch in Teamarbeit mit Leidenschaft und Überzeugung dabei. Ich bin in jenen Jahren mit Sicherheit über mich hinausgewachsen.
Essen auf Rädern wurde in Meran unter Ihrer Leitung geboren und Sommerferien am Meer für Kinder und Familien, Sie waren im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Behinderte, wurden Vizepräsident des Altenheims Eden … Sie hatten nicht nur viele Ideen, sondern konnten sie auch umsetzen?

Der Zeitraum von 1980 bis 1990 war eine Zeit des Auf- und Umbruchs im sanitären und sozialen Bereich. Viele meiner Ideen und Projekte sind heute wichtige Meilensteine der Meraner Sozialpolitik. Ein Herzensprojekt war die Villa Litauen. 1987 hatte ich in diesem Gebäude eine Seniorengemeinschaft organisiert, d.h. es wurde wie ein Seniorenpensionat geführt, einzigartig in ganz Südtirol. Dort hatte ich einige 100-Jährige untergebracht und gezeigt, dass Zusammenhalt und gegenseitige Kontaktpflege die wichtigsten Elemente für ein langes Leben sind. Gleichzeitig engagierte ich mich als Vize-Präsident im Seniorenheim Eden und habe den Umbau zum Pflegeheim mitgestaltet. In der Arbeitsgemeinschaft für Behinderte habe ich mich als Verwaltungsratsmitglied für die Abschaffung architektonischer Barrieren eingesetzt. Hinzu kamen ehrenamtliche Tätigkeiten in weiteren Vereinen. Es war eine intensive Zeit mit hohem sozialem Engagement.


Wann und wo wird die Leidenschaft zum Wein geboren?

Ich hatte in jungen Jahren wenig Interesse am Wein. Ich kannte wahrscheinlich nur minderwertige Weine und jedes Mal nach einem durchtrunkenen Abend ging es mir am darauffolgenden Morgen nicht gut. 1987 fuhren meine Frau und ich mit Freunden durch Frankreich und Spanien. In Saint-Émilion hatte ich mein Schlüsselerlebnis; und das direkt auf dem Hauptplatz. Ich genoss ein Glas Wein und es war Liebe auf den ersten Tropfen. Das animierte mich, mehr über Wein und seine Facetten in Erfahrung zu bringen. Vielleicht fermentierte diese Liebe bereits in meinen Genen: Schließlich stammte meine Großmutter aus einer Wachauer Winzerfamilie.


Gemeinsam mit Johann Innerhofer setzten Sie erste Schritte in Richtung Weinverkostungen, 1992 dann eine erste Auflage des WineFestivals. Wie konnte das gelingen?

Es braucht Überzeugung, Leidenschaft, Einsatzbereitschaft, Teamarbeit und Courage. Johann Innerhofer und ich kannten uns von der Volksschulzeit. Wir hatten unsere Freundschaft 1987 durch den Wein wieder in Schwung gebracht. Diese gemeinsame Leidenschaft beflügelte uns zur Organisation von Wein- und Kulinarik-Verkostungen in Südtiroler Restaurants und zu Besuchen von Weinbaubetrieben im In- und Ausland. Wir waren hochmotiviert und kamen an einen Punkt, wo wir mehr wollten. Gemeinsam mit Othmar Kiem gründeten wir den GourmetClub Südtirol. Zur Gründung hatten wir uns ganz einfach ausgedacht, die Weinproduzenten nach Meran einzuladen und diesen Moment gemeinsam zu zelebrieren. Die finanziellen Mittel hierfür hatten wir aus der eigenen Tasche zur Verfügung gestellt. Dank der Kooperation verschiedener Meraner Persönlichkeiten und Hoteliers – u.a. der Familie Eisenkeil vom Palace Hotel – und der unermüdlichen kostenlosen Mitarbeit vieler Freunde war es möglich, das erste Event auf höchstem Qualitäts-Niveau auf die Füße zu stellen.
Im Folgejahr 1993 der Schritt ins Kurhaus. Wie kam er zustande? Gab es auch Widerstände?

Die erste Veranstaltung hatte einen Riesenerfolg mit sich gebracht und der Kursaal war der geeignete Rahmen! Dank der Bereitschaft des damaligen Präsidenten der Meraner Kurverwaltung, Jörg Auckenthaler, wurde uns der Kursaal in den ersten Jahren kostenlos zur Verfügung gestellt. Es gab viele Befürworter, vor allem aus Gastronomie und Hotellerie. Widerstände gab es von den Südtiroler Winzern, da wir die meisten Weinbaubetriebe aus Italien und dem Ausland nach Meran holten.


Gab es irgendwann öffentliche Mittel?

Ich hatte bei der Landesregierung um öffentliche Mittel angesucht. Bruno Hosp, der damalige Landesrat, verglich unsere Initiative mit einem Briefmarkenverein. Wir hatten auch bei der Gemeinde Meran um Beiträge angesucht – die Gesuche wurden abgelehnt. Es gab und gibt deshalb bis heute in 33 Jahren keine öffentlichen Beiträge. Allein die Kurverwaltung hatte uns in den ersten Jahren den Kursaal kostenlos zur Verfügung gestellt. Seit den 2000er Jahren gibt es über die Kurverwaltung einen finanziellen Beitrag von den Meraner Hoteliers. Zudem wurde eine Vereinbarung der Kooperation, ohne finanzielle Beiträge, zwischen der Kurverwaltung, der Gemeinde Meran, Gourmet’s International und Helmut Köcher abgeschlossen, die bis heute gültig ist.


Das Festival lief gut an, Sie hatten Ihren Job in der Gemeinde, gründeten eine Familie – und studieren an der Universität Innsbruck Politikwissenschaften. Warum dieser Schritt zum späten Studium?

Meine Leidenschaft während meiner Oberschulzeit war, Jura zu studieren. Ich hatte mich sofort nach Beendigung der Matura im Jahr 1978 an der Universität Padua für ein Jurastudium immatrikuliert. Leider hatte mir damals der Militärdienst, den ich zum Großteil in Neapel absolviert hatte, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach dem Militärdienst hatte mich die Arbeit im Sozialamt richtig im Griff und so fehlte die Motivation, das Studium fortzusetzen. Doch meinen Wunsch, ein Jurastudium und vielleicht eine Rechtsanwaltskanzlei aufzubauen, habe ich nie aufgegeben. Allerdings wäre es meiner Meinung nach nicht möglich gewesen, neben der Tätigkeit ein aufwendiges Jurastudium aufzunehmen. Nach Einsicht in die verschiedensten Fächer war ich vom Studium der Politikwissenschaft begeistert und hatte mich entschieden, dies im Fächerbündel mit Zeitgeschichte und Medien in der Universität Innsbruck zu absolvieren. Ich hatte damals große Ziele und das Erreichen dieser Ziele hatte mich im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt. Ich konnte das Studium mit 150 Stunden jährlicher Freistellung von der Arbeit und mit dem mir zustehenden Urlaub absolvieren. Ich musste meine Leistungen im Personal- und Organisationsamt garantieren und habe dies weit über die geforderten und erwarteten Leistungen erbracht. Damals lebte ich im wahrsten Sinne des Wortes fünf Leben gleichzeitig: Ich fuhr an drei Tagen in der Woche in aller Herrgottsfrüh nach Innsbruck zum Studium und erfüllte in der verbliebenen Zeit an den Nachmittagen im Personalamt meine Verpflichtungen. Auf der anderen Seite hatte ich eine Familie; eine Frau und ein Kind, die auf mich zählten und mich brauchten. Zudem hatte ich mich intensiv für den Weinsektor und alle organisatorischen Maßnahmen für das WineFestival engagiert. Die Ruhe- und Schlafzeit musste ich auf ein Minimum reduzieren. Das Leben war teilweise wie auf einer Achterbahn, in fünf Schachteln verpackt und diese fünf Schachteln mussten aufeinander abgestimmt sein, so wie die Matrjoschkas. Es war wie ein fünffacher Switch: Du musst von einem Schalter auf den anderen ständig umschalten, damit du in jedem Bereich Höchstleistungen bringen kannst. Ich glaube, damals brachte ich die gleichen Leistungen wie die eines Hochleistungssportlers – mit täglich mindestens 15-stündigem Einsatz.
Es wurde turbulent in den folgenden Jahren …

Gegen Ende der neunziger Jahre kam es zu einem regelrechten Dominoeffekt. Eine meiner persönlichen Hauptaufgaben als Amtsdirektor des Personal- und Organisationsamtes war u.a. die Leistungseffizienz der einzelnen Gemeindeämter hinsichtlich der Personalauslastung zu beurteilen. Dabei hatte ich hauptsächlich die damals nicht erlaubte Zweitarbeit von Gemeindebediensteten im Visier. Durch diese Recherchen, die mich fast schon zum „Inquisitor“ abstempelten, hatte ich mir auch Feinde gemacht. Letztlich führte dies zu einer öffentlichen Schmutzkampagne gegen mich, initiiert von einem bekannten Meraner Journalisten. Er war der Meinung, dass ich das Meran WineFestival als Zweitarbeit organisiert und damit zusätzliche Einnahmen generiert habe. Es folgten mehrere Anfragen im Gemeinderat und sogar im Regionalrat. Ich wurde öffentlich fast als „Schwerverbrecher“ gebrandmarkt. Es folgte die Anzeige zweier italienischsprachiger Meraner Gemeinderäte gegen mich bei der Staatspolizei. Der Höhepunkt dabei war, dass mich Beamte der Finanz- und Staatspolizei von einer Kinderfeier meines Sohnes in der Untermaiser Volksschule abholten und mit einer „squadra“ von über zehn Polizisten im Büro der Gourmet’s International über 50 Ordner beschlagnahmten und das ganze Büro auf den Kopf stellten. Laut der Anzeige habe ich meine mir zustehendem 150 Stunden Freistellung aus Studiengründen für die Arbeit bei Gourmet‘s International zur Organisation des Meran WineFestival benützt und deshalb zusätzlich Geld verdient. Nach neunmonatiger Überprüfung sämtlicher Unterlagen konnte ich einerseits beweisen, dass ich keine zusätzlichen Einnahmen bekommen hatte und andererseits konnte ich in jenem Zeitraum das Studium der Politikwissenschaften mit Auszeichnung abschließen. Den einzigen Rückhalt gaben mir meine eigene Familie, meine Frau und mein Sohn. Die größte Belastung und Enttäuschung in dieser mir unerklärlichen und unverständlichen Zeit war, dass mich trotz nachgewiesener Leistungen seitens meiner Vorgesetzten fast niemand in der Gemeinde Meran unterstützte. Meine Welt war zusammengebrochen. Deshalb beschloss ich Anfang des Jahres 2000: Ich steige aus dem Merano WineFestival aus! Ich hatte bereits eine Vereinbarung mit einem Partner von Bozen unterschrieben. Sehr wahrscheinlich wäre das Meran WineFestival nach Bozen übersiedelt und in „Bolzano WineFestival“ umgetauft worden. Es kam aber, wie so oft in meinem Leben, ganz anders.


Winfried Felderer, damaliger Präsident der Kurverwaltung Meran, war ein großer Unterstützer des WineFestivals. Inwiefern war er damals für Sie wichtig?

Mein Freund Winfried Felderer hatte mich umgestimmt und sich für den Erhalt des Meran WineFestivals für Meran eingesetzt. Er hatte mich davon überzeugt, dass die Kurverwaltung in die Gesellschaft Gourmet’s International einsteigt, vorausgeschickt, dass ich weiterhin federführend die Veranstaltung garantieren würde. Gestärkt von dieser Entscheidung, hatte ich bei der Gemeinde Meran gekündigt und beschlossen, das Meran WineFestival mit einem klaren Konzept auch finanziell tragbar zu machen. Durch den Einstieg der Kurverwaltung konnte Gourmet’s International im Jahr 2000 in die heutigen Räumlichkeiten des Geschäftes Pur umsiedeln. Im Jahr 2001 war das gemeinsame Ziel, dort ein ständiges Promotions- und Verkaufsgeschäft von ausgewählten kulinarischen Produkten und Weinen zu machen. Leider wurde dieses Vorhaben von der Gemeinde Meran nicht unterstützt. Auch ein weiteres Vorhaben im ehemaligen Luftschutzbunker unter dem Küchelberg die „Vinopolis Südtirol“ mit finanzieller Unterstützung des Landes und der Südtiroler Weinbaubetriebe aufzubauen, wurde von der Gemeinde Meran nicht unterstützt. All dies führte dazu, dass die Kurverwaltung nach wenigen Jahren, in erster Linie aus gesetzlichen Gründen, aus dem Meran WineFestival wieder ausgestiegen ist und meiner Person alleine die Verantwortung für das Meran WineFestival übertragen hat.
Dem Studienabschluss in Innsbruck folgt der MBA der Business School Zürich. Sie geben Vorlesungen am Campus Conegliano Veneto der Universität Padua, Reisen rund um den Globus sind eine Selbstverständlichkeit. Welche Schritte waren für den Aufbau des Festivals und seinen steigenden Erfolg unabdingbar?

Die beste Entscheidung war bei der Gemeinde Meran zu kündigen. Erst dieser Schritt bot mir die Freiheit und die Zeit, von fünf Leben auf zwei Leben zurück zu schalten. Das Studium der Politikwissenschaft lieferte die optimale Grundlage und durch das Studium bei der Business School in Zürich konnte ich finanzielle Grundlagen besser verstehen und verwalten. Unabdingbar war der Glaube und die moralische Unterstützung der Meraner und Südtiroler Hoteliers und Gastronomen, aber auch jener der Kurverwaltung Meran und aller Weinbaubetriebe, national und international.


Ihr Team ist seit seinen Anfängen enorm gewachsen. Wie setzt es sich heute zusammen?

Heute besteht das Team der Gourmet’s International, außer meiner Person als Alleinverwalter und CEO, aus sechs Vollzeitmitarbeitern und fünf selbständigen Mitarbeitern. Im Zeitraum des WineFestivals wird für ca. sechs Monate, ab Juni jeden Jahres, das Team auf weitere vier bis fünf Mitarbeiter aufgestockt. Hinzu kommen die Wein- und Kulinarik Verkostungskommissionen, die WineHunter Scouts, insgesamt 14 Kommissionen in ganz Italien mit mindestens drei Mitgliedern pro Kommission. Das sind weitere 42 Personen, die im ersten Halbjahr die Selektion machen. Die gesamte Promotion im Ausland wird zusätzlich von derzeit 17 WineHunter Ambassadors gewährleistet. Diese decken alle Kontinente der Welt ab. Außerdem habe ich 2012 die WH Academy (WineHunter Academy) gegründet. Es werden etliche Aus- und Fortbildungskurse durch den Europäischen Sozialfonds organisiert. In der WH Academy, dessen Direktor ich bin, arbeiten selbständig im Schnitt zehn Personen – zuzüglich der über 15-20 Dozentinnen und Dozenten.


Welchen weiteren Traum rund um das WineFestival möchten Sie verwirklichen?

Meinen großen Traum, das Meran WineFestival zu eines der begehrtesten und renommiertesten Wein- und Kulinarikevents Italiens und weit darüber hinaus zu machen, habe ich erreicht. Als Meraner promote ich bei meinen verschiedensten Präsentationen in In- und Auslandreisen, in Städten wie Rom, Neapel, Catania, aber auch in New York, Chicago, Tokio und Guangzhou in erster Linie die Stadt Meran und das Meran WineFestival. Ein, Traum, der in diesem Jahr in Erfüllung ging, ist das Credo in die 8000-jährige Geschichte und Kultur des Weines, hauptsächlich im Ausbau der Weine in Amphoren, also in Tongefäßen. In diesem Bereich bin ich wohl der erste und derzeit Einzige, der an eine Rückkehr der Vergangenheit für die Zukunft des Weines glaubt und sich hierfür aktiv engagiert. Seit über 15 Jahren schwebt mir noch etwas vor: Ich würde gerne in Meran ein internationales Weinwirtschaftsforum nach dem Muster des Wirtschaftsforum von Davos organisieren. Meran und Südtirol haben die optimalen Voraussetzungen für ein hochkarätiges Wirtschafts- und Politikforum und damit die Möglichkeit, innerhalb der Weinbranche die Stadt Meran tatsächlich zum Nabel der Welt zu machen.


September 2024

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