Schwimmen – im Meer der grünen Bäume

Martin Kiem verrät, wieso Waldbaden Stress abbaut und warum das bewusste Atmen im Wald gar nicht so einfach ist, wie es klingt.

Die Luft riecht nach Moos, nach Regen und nach Rinde. Die sanfte Brise fühlt sich kühl auf der Haut an. Mit jedem bewussten Einatmen kommen wir der Natur einen Schritt näher. So nah, dass wir für eine kurze Zeit eins mit ihr werden.

In unserer modernen Zeit sind wir zunehmend Stress und Zeitdruck ausgesetzt. Körper und Seele benötigen daher verstärkt Entspannungspausen, um wieder in richtige Balance zu gelangen. Was eignet sich da besser, als ein Bad im Wald? Ja, du hast richtig gelesen, ein Waldbad. Martin Kiem bietet von April bis Oktober geführtes Waldbaden in Partschins an. Der Coach und Psychologe ist spezialisiert auf Natur- und Waldtherapie sowie Meditation und Achtsamkeit.

Wir haben ihn zum Interview getroffen:

Waldbaden wird immer beliebter. Warum?
Wir Menschen entfernen uns heute immer weiter von der Natur. Über 50 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Städten, der durchschnittliche Erwachsene in der westlichen Welt verbringt über 90 Prozent seines Lebens in Räumen und über zehn Stunden täglich vor dem Bildschirm. So, wie wir unser Leben heute strukturieren, haben wir kaum noch Interaktionen mit der Natur. Trotzdem spüren die Meisten ein starkes Verlangen, sich wieder mehr mit der Natur zu verbinden.

Was genau ist Waldbaden?
Beim Waldbaden wird versucht, durch verschiedene Techniken und Übungen eine Verbindung zur Natur herzustellen und dadurch Stress abzubauen. Das Einatmen der Waldatmosphäre – Shinrin-Yoku – stammt ursprünglich aus Japan, wo es von der Bevölkerung gerne und häufig angewandt wird.
Wie genau können sich die Teilnehmer das Waldbaden bei dir vorstellen?
Beim Wandern wird darauf geachtet, wie viele Kilometer oder Höhenmeter man am Tag schafft. Beim Waldbaden ist genau das Gegenteil der Fall. Es gibt kein Ziel, das zu erreichen ist. Wir rauschen nicht durch den Wald, sondern gehen ganz, ganz langsam. Manchmal nur wenige hundert Meter, manchmal einen Kilometer. Wir setzen uns an einen Baum, konzentrieren uns bewusst auf unsere Atmung, um Körper und Seele zu entspannen. Studien zeigen, dass wir 60 bis 70 Prozent um uns herum verpassen, weil wir nicht aufmerksam genug sind. Beim Waldbaden geht es ums Atmen, ums Spüren. Darum, die Zeitmaschine in unserem Kopf kurz zu parken und einfach den Moment zu erleben.

Wie wirkt sich Waldbaden aus?
Regelmäßiges oder längeres Waldbaden wirkt sich langanhaltend positiv auf den Körper und den Geist aus. Das Waldbaden beeinflusst die Ausschüttung von Cortisol und fördert die Produktion natürlicher Killerzellen. Das Einatmen der Botenstoffe, die Bäume aussondern, wirkt sich positiv auf das Immunsystem aus und auch das Hormonsystem wird positiv beeinflusst. Die Stimmung hellt sich auf, der Herzschlag verlangsamt sich, man schläft besser und ist allgemein entspannter und konzentrierter. Sehr kopflastigen Menschen wird es anfangs schwerfallen, ruhiger zu werden und sich auf das Waldbaden einzulassen, aber auch bei ihnen zeigen sich bald positive Veränderungen.


Eine gute Übung, die dem Waldbaden nahekommt:

Suchen Sie sich ein schönes Plätzchen im Wald und setzen Sie sich an einen Baum. Versuchen Sie, nur den Augenblick bewusst wahrzunehmen. Konzentrieren Sie sich und atmen Sie durch die Nase tief die frische Luft ein. Spüren Sie, wie die Luft Ihren Bauch ausfüllt und Sie mit frischer Energie versorgt. Atmen Sie langsam durch den Mund aus und wiederholen Sie diese Übung mehrmals.


Buchtipp: „Wald tut gut - Stress abbauen, Wohlbefinden und Gesundheit stärken“ von Martin Kiem und Karin Greiner.
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