Sie haben auch das Leben von Don Giorgio Cristofolini beleuchtet, Gründer und früherer Chefredakteur des Il Segno. Der „Bischof von Nicastro”, wie er genannt wurde, (viele der Arbeiter kamen in den 1950er Jahren aus dem Süden Italiens) kümmerte sich um die Belange der Steinbruch- und Minenarbeiter, warnte vor den Gefahren des Nationalismus und gab denen eine Stimme, die keine hatten. Warum hat er recht, wenn er sagt, dass Letzteres unweigerlich Probleme kreiere? Wo finden Sie das heute wieder?
Wenn man die Wahrheit sagt – und auch danach handelt – hat man oft Probleme. Besonders, wenn diese Wahrheiten für diejenigen unbequem sind, die an der Macht sind und somit auch die Macht haben, einem zu schaden. Don Giorgio war sehr viel weitsichtiger als viele seiner Zeitgenossen. Dies kann aber auch zu Einsamkeit führen. Propheten haben es in ihrer Zeit meistens schwer. Don Giorgio hatte aber das Glück, mit einem weltoffenen Bischof zu arbeiten, Joseph Gargitter, einem Mann mit einer Vision für seine Diözese, der ein ruhiges Leben für das Gemeinwohl opferte. Auch heute gibt es Machtstrukturen, die unbequeme Menschen ausschalten. Auch heute wird, mehr denn je, wer nicht zum System gehört, ausgestoßen und als wertlos behandelt. Intoleranz und Diskriminierung sind leider immer noch präsent, und auch der Rassismus beeinflusst weiterhin das Verhalten der Menschen, zum Beispiel bei Wahlen.
Zurück zu den ganz dunklen Zeiten der Stadt, wo auch er 1939 in Meran war: Juan Domingo Péron, der später dreimal Präsident von Argentinien werden sollte. Was genau hat er hier in Meran gemacht?
Offiziell war Péron in Meran für eine Trainings- und Ausbildungszeit. Heute würden wir sagen, ein Praktikum. Insbesondere sollte er die Organisation der Alpini-Truppen studieren. Doch am Ufer der Passer, in den Wochen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs, beobachtete der argentinische Oberstleutnant vor allem die geopolitische Lage, sammelte und übermittelte Informationen, sodass die italienischen Behörden misstrauisch wurden und dafür sorgten, dass er nach Aosta versetzt wurde, wo er, wie sie schrieben, „hervorragend alles studieren kann, was die Alpini-Truppen betrifft“. Aus Meran berichtete er dem argentinischen Militärattaché über politisch-diplomatische Angelegenheiten, aber auch über trivialere Dinge: „Ich mache hier die Traubenkur, von der man in Meran sagt, sie sei wunderbar. Ich bin etwas skeptisch gegenüber den ‚heilenden Wundern‘ und folge dieser Kur, obwohl ich sicher bin, dass sie mir nichts bringen wird. Andererseits habe ich nichts zu kurieren, also werde ich nichts bereuen, es sei denn, ich muss bereuen, zwei Kilo pro Tag von so wunderbaren Trauben gegessen zu haben.“
Im Kasernenareal errichtete die Deutsche Wehrmacht 1944 ein Lager für beschlagnahmtes Material und ein Nebenlager des Durchgangslagers von Bozen, wohin politische Gefangene und deren Angehörige, auch Frauen und Männer aufgrund ihrer Ethnie und Religion verschleppt wurden. Zwei jungen Frauen, Albertina Brogliati und Ernesta Sonego, gelang die Flucht. Wohin flohen sie? Wer hat ihnen geholfen? Was wissen Sie über ihre Zeit in diesem Satellitenlager in Meran?
Das Satellitenlager wurde zuerst in einer Kaserne in der Gampenstraße und dann in der Bosin-Kaserne hinter der Rennbahn eingerichtet. Es waren Arbeitslager, immer noch ein kleines Rädchen im Konzentrationslagersystem des Dritten Reichs. Früher oder später sollten dann alle Gefangenen in die KZs Mitteleuropas geschickt werden.
Die beiden Mädchen, Albertina und Ernesta, sind ein Sinnbild für Lebenswillen und Hoffnung. Die Gemeinde Meran wollte ein Stück jener Mauer erhalten, die sie um Weihnachten 1944 überkletterten, um aus dem Lager zu fliehen. Diese Flucht war dank Meraner Familien möglich, die die beiden Frauen einige Tage lang versteckten. Don Primo Michelotti, Lehrer am Klassischen Gymnasium und Kaplan der Heilig-Geist-Kirche, kümmerte sich um sie und viele andere. Solche Formen des Widerstands, nicht nur passiv, sind ein Lichtstrahl in Merans Vergangenheit.