Am Vigiljoch
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Am Vigiljoch

Oberhalb von Lana erstreckt sich das Vigiljoch, ein hügeliger Wald- und Wiesenrücken und ein beliebtes Erholungsgebiet für Gäste und Einheimische.

Schon als Kind faszinierte Ulrich Ladurner das Hotel, das an der Bergstation der Jocher Seilbahn steht. „Ich habe mich gefragt, wer da drin ist, was sind das für Leute, was geschieht hinter diesen Mauern?“, erzählt er. Berechtigte Fragen, denn das Hotel beherbergte zu seinen Glanzzeiten in den 1930er-, 1950er- und 1960er-Jahren illustre Gäste, unter ihnen Willi Brandt und eine süditalienische Adelsfamilie, die im Sommer monatelang am Joch urlaubte.
Doch der Glanz verging, das Hotel verkam zusehends und befand sich schließlich in einem armseligen Zustand. Der Meraner Ulrich Ladurner, Leiter des Unternehmens „Dr. Schär“, das glutenfreie Lebensmittel herstellt, wollte diesen Verfall nicht weiter mit ansehen. Er erwarb das Hotel, engagierte den renommierten Architekten Matteo Thun und scheute keine Kosten, um mit dem vigilius mountain resort etwas völlig Neues entstehen zu lassen. Holz und Glasflächen prägen heute das Erscheinungsbild des 5-Sterne-Hauses auf 1.500 Metern Meereshöhe. Kein Allerweltshotel also.
„Ich wollte etwas Besonderes machen“, sagt Ladurner. „Und wenn es schon einmal ohne Straße möglich war, warum nicht wieder?“ Die Freude der Einheimischen, für die das Joch ein Stück Eigentum ist, hielt sich zunächst in Grenzen – „Vogelhaus“ wurde das Hotel geschimpft oder „Kuhstall“. Mittlerweile haben sich die Kritiker überzeugen lassen (oder sind verstummt), der Kontrast zwischen dem außergewöhnlichen Bau und der urigen Landschaft ist geblieben.
Natur vor der Haustür
Das Vigiljoch hat aber mehr zu bieten als nur Ladurners Hotel. Zahlreiche Wanderwege erschließen die Gegend, Gasthäuser und Almen bewirten im Sommer Wanderer und Gäste, im Winter ist das Vigiljoch ein Geheimtipp für Rodler und Skifahrer. Das Vigiljoch ist nach wie vor autofrei. Am einfachsten erreicht man es von Lana aus mit der 1912 erbauten Seilbahn, einer der weltweit ersten Personenseilbahnen. Die vor wenigen Jahren erneuerte Gondel bringt ihre Passagiere in einer kurzen, steilen Fahrt zur Bergstation auf 1.500 Meter Meereshöhe, dann geht es mit einem Einer-Sessellift bis fast hinauf auf die Passhöhe. Von dort führen kurze Wanderungen zum Vigiliuskirchlein und zum idyllisch gelegenen Weiher „Schwarze Lacke“ genannt. Der Bergrücken ist auch vom Lananer Ortsteil Pawigl aus mit einer Seilbahn erreichbar, ebenso wie von Vinschgauer Seite: Dort bringt eine Seilbahn in Rabland die Fahrgäste auf das Joch. Das Vigiljoch ist bei den Menschen aus dem Tal seit jeher beliebt.
In den Sommerfrischhäusern, die über das ganze Joch verstreut stehen, haben Familien regelmäßig den Sommer verbracht, und für Schulklassen ist es ein oft gewähltes Maiausflugsziel. Auch für Ladurner gehört das Joch zu den Kindheits- und Jugenderinnerungen an Ausflüge mit der Klasse, mit den Eltern, mit Freunden.

Der Ortler nicht weit
Das Vigiljoch erstreckt sich von Meran aus nach Südwesten und trennt den unteren Vinschgau im Westen vom Burggrafenamt im Osten. Im Meraner Raum hügelig und bewaldet, ist es ein Ausläufer der Ortlergruppe, also jenem Massiv, in dem Südtirols höchster Berg liegt.
An seiner Flanke liegen, im Vinschgau beginnend, Naturns, Plaus, Rabland, Töll, Forst, Marling, Tscherms und Lana. Das Ultental erstreckt sich an der Südseite des Jochs. Das eigentliche Joch ist der 1.743 Meter hohe Übergang vom Vinschgau ins Burggrafenamt, dort steht – an einem früheren heidnischen Kultplatz – das „Jocher Kirchl“, das dem Heiligen Vigil geweiht ist. Nicht weit entfernt verlief einst die Grenze zwischen den Bistümern Trient und Chur. Die Kirche steht im Ruf, eine „Wetterkirche“ zu sein, und empfängt am 26. Juni – dem Vigiliustag – immer noch die Pilger der umliegenden Dörfer. Das Langhaus ist frühromanisch, innen ist ein Freskenzyklus aus dem 14. Jahrhundert zu sehen, der die zwölf Apostel und eine Kreuzigungsgruppe zeigt. Nachdem das Kirchlein eine Zeit lang als Kuhstall verwendet worden war, wurde es Ende des 19. Jahrhunderts restauriert und neu geweiht. Nicht weit davon entfernt, am Fuße des Kirchleins und nur bei Schneeschmelze, liegt der Jocher See, ein Weiher, an dem es spuken soll, und in dessen ruhigem Wasser sich die Bäume und der Himmel spiegeln.
Vigiljoch
Vigiljoch
Der autofreie Hausberg von Lana
Jocher Gschichtn
Norbert Menz aus Meran hat in seinem Buch „Jocher Gschichtn“ alles zusammengetragen, was es über das Joch zu berichten gibt. Er stellt die verschiedenen Pflanzen sowie ihre Nutzung für den Genuss und als Arznei vor, so zum Beispiel die „Zirm“, die „Königin der Alpen“.
Ausführlich führt Menz Buch, zählt fein säuberlich die Almen auf, berichtet von Wolfsgruben und Kalköfen und beschreibt die Menschen, die dort wohnen – Originale, wie sie nur der einsame Sommer auf der Alm hervorbringt. Geschichte und Geschichten, wie die vom „Wascht“, dem Hirten der Tufer Alm, und dem Brennsuppenrezept des „Wendl“. Schon die Kelten sollen hier ihre Spuren hinterlassen haben. Man fand Schalensteine und erzählt sich allerlei Sagen vom Tatzelwurm, von Goldfunden und Skeletten.

Zurück in die Vergangenheit
Ladurner sieht das Joch als Verpflichtung. „Ich bin oft oben und muss mich um Dinge kümmern, die andere gar nicht sehen: Wo liegt Müll, wo muss nach dem Winter eine Straße oder ein Steig repariert werden, wo kann man mehr Ordnung schaffen, wo kann man etwas verbessern?“. Die Zukunft des Vigiljochs sieht er in der Vergangenheit. „Das Joch ist noch sehr ursprünglich und das macht seinen Reiz aus.“
Das Vigiljoch war einst das Skigebiet der Meraner und Lananer, der Skiclub Vigiljoch organisierte hier legendäre Vereinsrennen. Doch der heutige Skibetrieb stellt andere Ansprüche an Pisten, Lifte, Gastronomie und Unterhaltung, deshalb will Ladurner lieber auf Wintererholung setzen. „Ein bewusster Gegentrend“, sagt er. „Die Leute suchen das Einfache. Die Flucht aus der komplizierten Welt, aus der Überforderung. Sie wollen sich abschirmen und nicht alles an sich heranlassen.“ Als ganz so einfach schätzt er diesen Weg dann aber doch nicht ein. „Wir müssen die Ersten sein“, stellt er etwas nachdenklich fest.
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